Scheidung als Risiko beim Vermögensaufbau?

Scheidung als Risiko beim Vermögensaufbau

Scheidung als Risiko beim Vermögensaufbau: Die langfristige Finanzplanung kann durch eine Scheidung eine unerwartete Disruption erleiden. Wie sich das finanzielle Risiko begrenzen lässt.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Christian Kieppe

In Deutschland werden rund 33 % der eingegangenen Ehen im Durchschnitt nach 14 ½
Jahren geschieden. Bei jeder Scheidung kann auf Antrag eines Ehegatten der sogenannte
Zugewinnausgleich durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass für jede Scheidung Kosten in
nicht unerheblicher Höhe für Gericht und Rechtsanwalt anfallen. Wer dem Risiko der
Scheidung aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit entgegentreten und im Falle einer
Scheidung die Kontinuität beim Vermögensaufbau erhalten möchte, erhält im folgenden
Artikel Informationen darüber, wie Scheidung und Vermögensaufbau miteinander in
Einklang zu bringen sind.

Ausgangssituation: Kontinuierlicher Vermögenszuwachs

Um die Folgen einer Scheidung für die persönliche Finanzlage darzustellen, sollen Max und
Anna im Folgenden als fiktives Ehepaar agieren. Angenommen, Max fängt mit 20 Jahren an,
den eigenen Vermögensaufbau zu fördern. Er wünscht sich, später bereits mit 60 Jahren in
Rente gehen zu können. Vom Gehalt seines Nebenjobs steckt er monatlich 50 EUR in einen
ETF-Fonds, der den MSCI World-Index abbildet. Dieser weist eine Rendite von
durchschnittlich circa 8 % per annum auf. Nach zehn Jahren hat Max bereits circa 9.000 EUR
zusammengespart. Dieses Geld muss er dann aber wieder ausgeben, um im Alter von 30
Jahren die Hochzeit mit seiner langjährigen Freundin Anna zu finanzieren. Weil ihm die
Geldanlage aber ein rauschendes Hochzeitsfest beschert hat, und Max auch sonst von den
Vorteilen der Geldanlage überzeugt ist, nimmt Max jetzt jeden Monat 250 EUR seines nun
deutlich besseren Einkommens und investiert es erneut in einen ETF, der den MSCI World-
Index abbildet.

Die unvorhergesehene Disruption: Scheidung

Nach 15 Jahren Ehe möchte sich Anna jedoch von ihm scheiden lassen, Max ist nun 45. Das
Vermögen, das er in seinen ETF investiert hat, ist nunmehr auf einen stolzen Betrag von circa
84.000 EUR angewachsen. Während der Ehezeit hat Anna nicht in Aktien investiert, da sie
der Meinung ist, dass eine derartige Geldanlage zu risikoreich sei.

Der Zugewinnausgleich und seine Folgen

Der bei jeder Scheidung auf Antrag eines Ehegatten durchzuführende Zugewinnausgleich hat
zur Folge, dass der Ehegatte, der während der Ehe mehr Vermögen erworben hat als der
andere, die Hälfte der Differenz zwischen seinem Vermögen und dem Vermögen des
Ehegatten an diesen als Zugewinn ausgleichen muss.

Muss Max nun finanziell bluten?

In dem Beispiel von Max und Anna werden aus Zwecken der Vereinfachung andere
Vermögenswerte ausgeblendet. Für Max bedeutet nun der von Anna beantragte
Zugewinnausgleich, dass er die Hälfte seines ETF-Vermögens an Anna zahlen muss, obwohl
diese sich während der Ehezeit nicht mit dem Thema Vermögensaufbau beschäftigt hatte.
Seine Vermögensmehrung wird dadurch sofort um 50% gesenkt, er behält nur 42.000 EUR.
Die 42.000 EUR liegen sogar unter dem von ihm absolut über 15 Jahre investierten Betrag in
Höhe von 45.000 EUR. Anna erwirbt einen Anspruch in Geld in Höhe von 42.000 EUR. Somit
muss sich Max nicht zwingend sein Vermögen aus dem ETF auszahlen lassen, die 42.000 EUR
jedoch irgendwie anders aufbringen, wenn er nicht seinen Sparplan unterbrechen will. Ihn
ärgert sehr, dass sein Geld wie durch Inflation weniger geworden ist, obwohl er sich viel mit
Themen wie Finanzplanung und Vermögensaufbau beschäftigt hatte. Die von ihm
angestrebte kontinuierliche Finanzplanung hat eine unerwartete Disruption erlitten.

Was passiert, wenn es um Milliardensummen geht?

Was im kleinen mittelständischen Milieu vorkommt, geschieht auch bei den reichsten
Menschen der Welt. Vor kurzem machte der Fall des amerikanischen Milliardärs und
Amazon-CEO Jeff Bezos (56) deutlich, welche gravierenden Folgen der
Vermögensauseinandersetzung haben kann. Aufgrund des Umstands, dass der US-
Bundesstaat Washington, in dem Bezos seinen Wohnsitz hat, eine ähnliche Regelung wie das
deutsche Familienrecht vorsieht, war Bezos dazu gezwungen, das von ihm in Form seines
Unternehmens Amazon angehäufte Vermögen mit seiner Ex-Frau MacKenzie Bezos (49)
hälftig zu teilen. Dies war dadurch begründet, dass Bezos Amazon erst nach Eingehen der
Ehe gegründet hatte und er und seine Ex-Frau auch keinen Ehevertrag geschlossen hatten. Er
schuldete somit seiner Frau ein Milliardenvermögen, was zunächst große Unsicherheit bei
Investoren ausgelöst hatte. Jedoch hat er es geschafft, sich mit seiner Ex-Frau stillschweigend
zu einigen und somit seinen großen Einfluss im Unternehmen zu wahren.

Wie Max das Problem im Vorfeld hätte lösen können

Interessant bleibt zu wissen, wie Max das Ärgernis seines Vermögensverlustes hätte
vermeiden können. Durch Abschluss eines Ehevertrags mit Anna hätte Max die
Durchführung des Zugewinnausgleichs wirksam ausschließen können. Wird kein Ehevertrag
zwischen Ehegatten abgeschlossen, greifen im Falle der Scheidung die gesetzlichen
Regelungen. Diese sind auf einen Interessenausgleich zwischen den Ehegatten gerichtet. Ist
beispielsweise der Mann in Vollzeit berufstätig während sich die Frau um Haushalt und
Kinder kümmert und daher nur in Teilzeit arbeiten kann, erscheint es gerecht, den
Vermögenszugewinn des Mannes insofern hälftig zu teilen, als er den Zugewinn der Frau
übersteigt, sodass bei der Scheidung beide Ehegatten mit gleich viel Vermögen getrennte
Wege gehen können.

Abänderung des Güterstands durch Ehevertrag

Gemäß § 1408 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches können die
Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln.
Die Regelung des Güterstands kann sowohl bei Eingehung der Ehe als auch während der Ehezeit
durch Vertrag geregelt werden. Erforderlich ist lediglich die notarielle Beurkundung des Vertrags.
Das Bestehen der Möglichkeit des Ehevertrags bedeutet, dass Max und Anna den Güterstand der
Zugewinngemeinschaft hätten ausschließen können. Ist die Zugewinngemeinschaft
ausgeschlossen, erlangt die sogenannte Gütertrennung Wirksamkeit, bei der die
Vermögenszuwächse während der Ehe getrennt bestimmt werden und im Falle der
Scheidung auch getrennt behalten werden dürfen. In der Regel wird zu dieser Lösung
geraten, wenn beide Ehegatten berufstätig sind.

Ein Tipp, der vielen Ehegatten als guter Kompromiss erscheinen mag, wäre, den
Zugewinnausgleich nur teilweise auszuschließen. So könnten Max und Anna vereinbaren,
dass der Vermögenszuwachs aus Max’ ́ETF-Sparplan nicht Teil des Zugewinnausgleichs sein
soll. So behält Max sein Gespartes genauso wie das Risiko, dieses durch Kursverfall zu
verlieren, und der Zuwachs, der aus seiner Berufstätigkeit, der er intensiver nachgehen
konnte als Anna, entstanden ist, wird dennoch fairerweise mit ihr geteilt.

Wie Max nun die Scheidungskosten minimieren kann

Max ist ein optimistischer Mensch und da er nun schon einen großen Teil seines Vermögens
durch den Zugewinnausgleich verloren hat, möchte er nun zumindest bei den
Scheidungskosten etwas Geld einsparen, um erneut einen möglichst großen Betrag in einen
ETF-Sparplan investieren zu können. Schließlich sind es nun noch 15 Jahre, bis er in Rente
gehen möchte.

Einvernehmliche Scheidung

Zunächst sollte Max eine Scheidung mit seiner Frau Anna anstreben, die im Einvernehmen
erfolgt. Das ist der Fall, wenn sich die Ehegatten über den Ablauf des Trennungsjahres einig
sind und auch hinsichtlich von Unterhalt, Vermögen, Hausrat, Ehewohnung, Sorge- und
Umgangsrecht keine Uneinigkeit mehr besteht. Haben sich die Ehegatten in allen Punkten
auf einen Kompromiss verständigt, stehen ihnen zwei Wege offen, um die Scheidungskosten
zu minimieren.

Zum einen muss nur ein Rechtsanwalt von einem der Ehegatten konsultiert werden. Für die
Einreichung des Scheidungsantrags besteht in Deutschland Anwaltszwang. Stimmt der
andere Ehegatte dann ohne anwaltliche Vertretung dem zuvor eingereichten und von beiden
Ehegatten abgesprochenen Scheidungsantrag zu, kann die Scheidung mit nur einem Anwalt
vollzogen werden. Die Ehegatten teilen nach dem gerichtlichen Scheidungsprozess die
Kosten für den Rechtsanwalt, die einem Ehegatten entstanden sind, jeweils zur Hälfte unter
sich auf und erzielen somit eine Ersparnis von 50 %.

Zum anderen kann die Reduzierung des Gegenstandswerts um 30 % vor Gericht beantragt
werden. Der Gegenstandswert ist die Richtgröße für die Scheidungskosten insgesamt, da sich
die Gerichts- und Anwaltskosten anteilig an ihm orientieren. Sinkt der Gegenstandswert um
30 %, sinken also auch gleichzeitig Gerichts- und Anwaltskosten um 30 %. Erforderlich für die
Reduzierung des Gegenstandswertes ist, dass die Einfachheit des Verfahrens gewährleistet
ist. Die Einfachheit ist insbesondere durch kurze Schriftsätze, eine kurze Anhörung, eine
mündliche Verhandlung und durch einen knappen Urteilstext indiziert. In der Regel also
dann, wenn für das Gericht wenig Arbeit anfällt, was insbesondere bei einvernehmlichen
Scheidungen vorkommt. Ist das der Fall, entscheidet das Gericht nach Ermessen, ob es den
Gegenstandswert reduziert.

Online Scheidung

Des Weiteren bietet sich für Max die Möglichkeit der Online-Scheidung. Zusätzlich zur
einvernehmlichen Scheidung bietet die Online-Scheidung den Vorteil, die Kommunikation
mit dem Rechtsanwalt über elektronische Kommunikationsmittel zu gestalten. Neben der
Ersparnis unnötigen Schriftverkehrs ist insbesondere die elektronische Übermittlung des
Scheidungsantrags möglich. So kann der Mandant alle Vorgänge des Scheidungsverfahrens
von zuhause abschließen und muss lediglich einmal zur mündlichen Anhörung vor Gericht
persönlich erscheinen. So kann Max zusätzlich Fahrtkosten und Zeit einsparen, die er nun
dazu nutzt, seinem Beruf nachzugehen und sich Gedanken über zukünftige Investments zu
machen.

Bildnachweis: © https://de.depositphotos.com/home.html

Der Autor

Christian Kieppe ist seit 25 Jahren als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Familienrechts tätig.
Der Kanzleisitz befindet sich in Münster. Darüber hinaus hat sich Herr Kieppe seit nunmehr knapp 20 Jahren insbesondere auf die Durchführung sogenannter „Online-Scheidungen“ spezialisiert.

Christian Kieppe Rechtsanwalt

 

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